Ein Liebesbrief an mein Sidebusiness

13. Februar 2023

Mein liebes Sidebusiness, unglaublich, wie lange wir schon zusammen sind. Heute möchte ich dir endlich mal sagen, wie wichtig du für mich bist. Unsere Liebe begann bereits, als ich 15 war. Vor 45 Jahren. Damals waren Schlaghosen mit extra weitem Schlag „in“ und wer eine hatte, war cool. Bei uns in den DDR-Läden gab es nichts von dem zu kaufen, was gerade modern war, aber ich konnte gut nähen. Ich nähte mir also meine erste Schlaghose selbst, und von da an wurde ich regelrecht „zugeschüttet“ mit Aufträgen.

So verdiente ich mein erstes Geld neben der Schule, später neben der Berufsausbildung und neben dem Studium und meinem ersten Job. Ich nähte alles, was modern und gefragt war. In der DDR fragte auch niemand danach, ob ich meine Einkünfte versteuerte (gab es damals überhaupt ein Finanzamt?). Man war wohl ganz froh darüber, dass es Leute wie mich gab, die den Bedarf an coolen Klamotten befriedigten und viele Menschen glücklich machten.

Ein Auszug aus meinem „Kassenbuch“, das ich kürzlich wiedergefunden habe

Irgendwann nähte ich auch mal Kostüme für ein Stadtfest mit „offiziellem“ Auftrag.

Später in der Wendezeit wurde ich Mama und nähte für meine Tochter Katharina eine Mütze. Auch die war nach kurzer Zeit so gefragt, dass ich sie in Serie produzierte und über eine Kinderboutique verkaufte.

Trennung auf Zeit – und warum wir das nicht lange aushielten

Als es später auch bei uns in den Geschäften alles zu kaufen gab und die Nachfrage an meinen Sachen nachließ, entfremdeten wir uns ein wenig. Und das war okay für mich.

Ich war nicht böse, wieder mehr Zeit für andere Dinge zu haben: Neuer Partner, Patchworkfamily mit insgesamt drei Kindern, Hausbau, Vollzeitjob als Bauingenieurin. Aaaber, mein liebes Sidebusiness, so ganz gingst du mir dann doch nicht aus dem Kopf.

Ich fand es immer beunruhigend, wenn meine ganze Existenz nur von einer einzigen Einkommensquelle abhängig war. Auch deshalb dachte ich gelegentlich etwas wehmütig an dich zurück.

Zum Nähen hatte ich allerdings keine Lust mehr.

Nähen also nicht. Was dann?

Bald meldeten sich immer mal wieder entfernte Bekannte bei mir. Wie es mir so ginge, man hätte sich schon so lange nicht gesehen … und nach kurzem Vorgeplänkel wurde mir ein Geschäft vorgeschlagen. Es ging um Nahrungsergänzungsmittel, Reinigungsmittel, Kosmetik. So lernte ich Multi-Level-Marketing kennen. Ganz ehrlich, es war keine besonders schöne Erfahrung. Aber das ist ein anderes Thema. Heute geht es nur um dich, mein Sidebusiness.

Einige Jahre später war es dann so weit – wir liefen uns wieder über den Weg!

Und das kam so:

Damals, kurz nach der Jahrtausendwende, gab es noch Werbebriefe, die mit der Post verschickt wurden. So ein Brief mit der Headline „Können Sie einen Brief wie diesen schreiben?“  fesselte meine Aufmerksamkeit. Der Brief war sehr, sehr lang und ich konnte nicht aufhören zu lesen …

Brief
Der Brief, der alles veränderte …

Es ging um einen Kurs, mit dem man innerhalb von 12 Monaten das Werbetexten lernen konnte. Heute bekannt als Copywriting. Das ist nun schon 20 Jahre her.

So begann unser Neuanfang. Ich buchte den Kurs, beendete ihn im Jahr 2005 und hatte gleich darauf meine ersten Aufträge als Werbetexterin. Da warst du also wieder, mein Sidebusiness.

Seitdem sind wir unzertrennlich. Ich glaube, es gab seitdem keinen einzigen Monat, in dem wir nicht miteinander matchten. Und es gab sogar eine Zeit, in der du fast meine Existenz gerettet hast.

Das war zu der Zeit, als ich Hals über Kopf in meine mehrjährige Vollzeit-Selbstständigkeit gestolpert war und nicht den Mut hatte, dich zu meinem Fulltime-Business zu machen. Ich wollte weiter als Bauingenieurin arbeiten, obwohl Bauingenieure zu der Zeit nur mitleidig belächelt wurden. Angeblich brauchte man uns damals nicht …

In dieser Zeit des Auf und Ab hast du mich treu begleitet. Du hast dich für mich starkgemacht und dafür gesorgt, dass ich jeden Monat meine Rechnungen bezahlen konnte, auch wenn andere Projekte gerade nicht so gut liefen.

Wir sind einander auch treu geblieben, als ich nach 4 Jahren wieder zurückging in die Festanstellung. Von da an warst du ein echtes Sidebusiness.

Ich musste mich nie wirklich um dich bemühen.

Du kamst immer von selbst. Es gab Phasen, in denen du größer warst, als mir lieb war. Wenn ich meine Kapazitäten überschätzt und so viele Aufträge angenommen hatte, dass nichts Ungeplantes dazwischenkommen durfte.

Zugegeben, es ist nicht immer so ganz einfach mit uns. Du zwingst mich dazu, mich sehr gut zu organisieren. Wenn meine Kolleg:innen sich über das Fernsehprogramm oder spannende Netflix-Serien unterhalten, kann ich fast nie mitreden. Und spontaner Besuch löst bei mir auch nicht viel Freude aus, wenn eine Deadline drückt.

Aber das ist es mir wert. Noch immer schätze ich die Freiheit, die du mir gibst. Klingt paradox? Lass es mich so erklären:

Das, was ich in meiner Festanstellung mache, mache ich sehr gerne. Doch erst du, mein Sidebusiness, gibst mir das Gefühl, ich würde das ausschließlich aus freien Stücken machen. Weil ich eine Alternative habe, auf die ich bei Bedarf umschwenken könnte. Konfuzius (oder wer auch immer) hatte Recht, als er sagte: Wähle einen Beruf, den du liebst, und du musst nie wieder zu arbeiten.

Weißt du, was ich noch an dir mag? Mit dir ist es nie langweilig!

Ich finde es faszinierend, was ich alles gemeinsam mit dir lernen darf, mein liebes Sidebusiness. Meistens geht es bei uns um Immobilien – und dieses Thema interessiert mich ja auch als Bauingenieurin und Vermieterin.   

Ich mag, was ich tue. Noch nie habe ich es verstanden, wenn Menschen nur ihren Feierabend, das Wochenende oder den Urlaub als den Teil ihres Lebens ansehen, für den sich zu leben lohnt. Meine Arbeit gehört zu meinem Leben. Und du, mein liebes Sidebusiness, auch.

In Liebe, deine Astrid

Dieser Artikel ist im Rahmen der Blogparade von Steffi Fleischer von der Werbewerkelei entstanden. Dort findest du noch viele weitere Liebesbriefe.

Hast du auch ein Sidebusiness? Was bedeutet es für dich? Schreib es mir gern in die Kommentare.

Über mich

Astrid Engel

Hey, ich bin Astrid. Auf meinem Blog dreht sich alles um Struktur, Planung, Zeitmanagement und Organisation für Scannerpersönlichkeiten, Multitalente, Multipotentialite und kreative Chaoten. Nenne uns, wie du willst – für mich sind wir einfach „Scanner“.

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2 Kommentare

  1. liebe astrid – was für ein schöner liebesbrief und teilweise so witig geschrieben – ich kann dir total nachfühlen, dass du dich unwohl fühlst wenn du beruflich nur auf einem bein stehst – zwei drei sachen machen ist auch abwechslungsreicher – oh mann und an die schlaghosen kann ich mich auch noch gut erinnern 🙂 und wie genial dass du das kassenbuch von damals noch hast 🙂 wo ist nur die zeit geblieben… viel freude weiterhin für eure wunderbare liebe 🙂

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    • Liebe Iris, dass ich das Kassenbuch noch habe, finde ich selbst erstaunlich. Ich habe es im Nachlass meiner Eltern gefunden und wusste bis dahin nicht einmal mehr, dass ich es geführt hatte. Aber an viele der Sachen kann ich mich tatsächlich noch erinnern. Danke für deinen schönen Kommentar. Liebe Grüße, Astrid

      Antworten

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