Begeisterst du dich für viele Themen und springst gern von einem Projekt zum anderen? Legst du dich ungern auf nur eine einzige Sache fest? Hast du manchmal keine Lust, deine Projekte abzuschließen, weil dich längst etwas Neues fesselt? Dann könnte es sein, dass du eine Scannerpersönlichkeit bist – so wie ich. Mit meinem Scanner-Ich war ich nicht immer glücklich, doch inzwischen habe ich meinen eigenen Weg zur Zufriedenheit gefunden. Gern teile ich hier meine Erkenntnisse mit dir.
Was ist überhaupt eine Scannerpersönlichkeit?
Den Begriff „Scanner“ hat die amerikanische Karriereberaterin und Autorin Barbara Sher geprägt. Sie beschreibt diese besondere Persönlichkeitsstruktur in ihrem sehr lesenswerten Buch „Du musst dich nicht entscheiden, wenn du tausend Träume hast“. Danach ist ein Scanner eine Person, die viele Dinge tun will und sich nicht für eine Sache entscheiden kann, was nicht unserer gesellschaftlichen Norm entspricht.
Den Erwartungen unserer Gesellschaft entspricht eher der sogenannte Taucher, der tief in ein Wissensgebiet „eintaucht“, sich auf ein Thema spezialisiert und sich damit sein Leben lang befasst.
So weit, so einfach. Doch auch vermeintliche Taucher können Scanner sein, wenn sie sich eben nicht lebenslang immer nur einem einzigen Thema widmen möchten, nur weil sie sich eine Zeitlang brennend dafür interessiert haben. Und was, wenn der vermeintlich flatterhafte Scanner in Wirklichkeit tief in alles eintauchen möchte, was ihm täglich begegnet?
Dieses Spannungsfeld zwischen Scanner und Taucher beschreibt Barbara Sher sehr anschaulich. Sie definiert unterschiedliche Typen der Scannerpersönlichkeit und gibt handfeste Empfehlungen, wie jede von ihnen glücklich werden kann.
Ich bin eine Scannerpersönlichkeit
Die Erkenntnis, eine Scannerpersönlichkeit zu sein, war sehr befreiend für mich. Ich behaupte sogar, dass sie mein Leben verändert hat. Endlich weiß ich …
- warum mich so viele unterschiedliche Themen beschäftigen, obwohl sie so gar nichts miteinander zu tun haben.
- warum ich immer wieder neue Ideen habe, aber niemals die Zeit finden werde, sie tatsächlich umzusetzen. Und warum mich das manchmal unglücklich macht.
- warum mir mein Beruf nicht reicht, obwohl er mir Spaß macht. Fast immer habe ich neben meinem Hauptberuf noch etwas ganz anderes gemacht – nicht nur als Hobby, sondern auch als Business.
- warum ich es liebe, neue Dinge zu lernen und mich langweile, sobald ich mich in dem Thema gut auskenne.
- warum ich regelrecht aufblühe, wenn in meinem Umfeld etwas Neues eingeführt wird: Eine neue Software, neue Strukturen, neue Projekte – auch wenn ich das Bisherige sehr mochte.
- warum ich wie besessen arbeiten und alles um mich herum zeitweise ausblenden kann.
- warum viele der klassischen Organisations- und Zeitmanagementmethoden bei mir nicht funktionieren.
- warum ich Projekte so ungern vollständig zum Abschluss bringe (genau, mich begeistert dann längst etwas anderes …)
Für dich hört sich das vielleicht ganz normal an (hallo Scanner:in :-)). Für mich auch. Doch mein Umfeld signalisiert mir oft – wenn auch höflich und dezent – dass „normal“ etwas anderes ist.
Geht es dir ähnlich? Dann … willkommen im Club und herzlichen Glückwunsch. Ich weiß von vielen Scannern, deren Leben sich durch diese Erkenntnis entscheidend verändert hat.
Kritik am Begriff der Scannerpersönlichkeit
Es gibt Menschen, die den Begriff „Scannerpersönlichkeit“ ablehnen, weil er ihrer Ansicht nach der Vielfalt dieser Persönlichkeit nicht gerecht wird. Sie wollen nicht schon wieder in eine Schublade gesteckt werden und bevorzugen Begriffe wie Multitalent, Multipreneur, Multipassionata oder Multiheld:in.
Diese Bedenken kann ich verstehen, teile sie aber nicht.
Ich bin Barbara Sher sehr dankbar dafür, dass sie einen Begriff geschaffen hat, mit dem wir Scanner uns untereinander erkennen. Mir ist klar, dass jede Scannerpersönlichkeit ihre eigene, persönliche Geschichte hat und dass sich das Scanner-Sein bei jedem von uns individuell äußert.
Ich weiß aber auch, dass jemand, der oder die sich selbst als Scannerpersönlichkeit sieht, zumindest einen Teil meiner eigenen Herausforderungen aus eigenem Erleben kennt. Das erleichtert die Kommunikation ungemein.
3 Dinge, die Scannerpersönlichkeiten herausfordern
Viele Scanner leiden unter ihrer besonderen Persönlichkeit. Das liegt auch daran, dass man ihnen im Gegensatz zum Taucher weniger beruflichen Erfolg zutraut. Die meisten Menschen sind nun einmal keine Scanner und verstehen nicht, wie wir ticken.
Die folgenden Herausforderungen sind charakteristisch für viele Scannerpersönlichkeiten.
#1 Schwierige Berufswahl
Die Entscheidung für den richtigen Beruf fällt Scannerpersönlichkeiten oft schwer. Doch ob wir als Scanner in unserem Beruf glücklich und erfolgreich sind, hängt vor allem von unseren Arbeitsbedingungen ab. Anders, also oft angenommen, kann auch ein Angestelltenverhältnis passen. Ich bin das beste Beispiel dafür.
Mein Beruf im Vollzeit-Angestelltenverhältnis hat mir schon immer Spaß gemacht, weil ich mein jeweiliges Aufgabengebiet weitgehend frei gestalten kann. Ich konnte in meinen beruflichen Stationen immer viel Neues ausprobieren, meine eigenen Ideen einbringen und mich weiterentwickeln. Den „Montagsblues“ kenne ich nicht!
#2 Scanner haben immer zu wenig Zeit
Die eigentliche Herausforderung besteht für mich darin, neben meinem Hauptberuf auch noch Zeit zu finden, um meine anderen Interessen auszuleben. Wie ich diesen immerwährenden Konflikt für mich löse, kannst du auf meinem Blog nachlesen. Hier findest du beispielsweise meine Tipps, wie ich den Hausputz fast „nebenbei“ erledige, neue Gewohnheiten etabliere und mich zum Sport motiviere.
Das Zeitproblem, das ich vermutlich mit den meisten Scannern teile, bezeichnet Barbara Sher als „Zeitkrankheit“. Sie meint damit die Hysterie, die uns glauben lässt, wir müssten jede Minute für die Erreichung unserer Ziele nutzen, weil bald keine Zeit mehr dafür wäre. Sie beschreibt, wie sehr wir unsere Kalender mit Projekten überfrachten und wie fremd uns das gemütliche Leben der meisten Menschen doch ist. Oh ja. Wie wahr …
#3 Schwierige Positionierung
Für mich war meine Positionierung ein großes Problem im Zusammenhang mit meiner früheren Selbstständigkeit. Ich wusste aus der Existenzgründungsberatung, dass ich mich auf eine einzige Sache konzentrieren müsse. Auf keinen Fall dürfe ich meine Kapazitäten in einem Bauchladen zersplittern. Ich sollte mich „spitz positionieren“. Warum, war mir natürlich klar, und ich habe es auch jahrelang ernsthaft versucht.
Ich war – wie so viele andere Scannerpersönlichkeiten – auf der Suche nach dem einen Thema, dem ich mich lebenslang widmen würde. Damit habe ich mir mein Leben unnötig schwer gemacht. Hier erfährst du mehr über meine damalige Zerrissenheit.
Mit meinem heutigen Wissen würde ich mit meiner Positionierung ganz anders umgehen. Heute weiß ich, dass es zwischen der hauptberuflichen Selbstständigkeit und dem Vollzeit-Angestelltenverhältnis noch mehrere Jobmodelle für Scannerpersönlichkeiten gibt. Business-Coaches wie Julia Mack, Monika Birkner oder Sandra Reekers sind selbst Scannerpersönlichkeiten und hätten mich wahrscheinlich besser beraten als meine damaligen Berater:innen.
Warum unsere Vielseitigkeit eine Stärke ist
Vielleicht fragst du dich, ob du (d)einer Scannerpersönlichkeit mit ihrer Vielseitigkeit auch etwas Positives abgewinnen kannst? Klare Antwort: Selbstverständlich kannst du das.
Ich weiß, dass viele Scannerpersönlichkeiten ihre Vielseitigkeit lieben. Und das aus gutem Grund, zum Beispiel:
- Wir Scanner sind meistens kreativ und lösungsorientiert.
- Wir kennen keine Langeweile und wissen immer etwas Interessantes mit uns anzufangen.
- Vor allem haben wir gelernt, mit vielen Themen gleichzeitig zu jonglieren.
- Wir können uns schnell und intensiv in neue Themen einarbeiten und Zusammenhänge zu anderen Themen herstellen.
- Wir schauen über den Tellerrand und verstehen, was links und rechts von uns geschieht.
Ich bin fest davon überzeugt, dass genau diese Fähigkeiten jetzt und in Zukunft gefragt sind. Deshalb möchte ich dich dazu ermutigen, deine Scannerpersönlichkeit als etwas Positives anzunehmen.
6 Tipps für weitere Informationen über die Scannerpersönlichkeit
Hier verlinke ich dir noch einige Anlaufstellen für weitere Informationen, die ich dir empfehlen kann:
Tipp 1: Barbara Sher – Karriereberaterin und Autorin: Barbara Sher hat mehrere Bücher rund um die Scannerpersönlichkeit geschrieben, vielleicht gefällt dir auch ihr Werk „Ich könnte alles tun, wenn ich nur wüsste, was ich will“. Ihre Bücher gibt es auch als Hörbücher.
Tipp 2: Julia Mack – Business-Coach: Eine Business-Coachin wie Julia Mack hätte ich mir in der Startphase meiner Selbstständigkeit gewünscht. Sie kann dich dabei unterstützen, ein scannergerechtes Business aufzubauen.
Tipp 3: Cordula Nussbaum – Speakerin, Trainerin, Autorin und Coach: Cordula Nussbaum hält auf ihrer Webseite verschiedene Ressourcen für Scannerpersönlichkeiten bereit, auch wenn sie uns liebevoll als „Kreative Chaoten“ bezeichnet.
Tipp 4: Monika Birkner – Autorin und Strategieberaterin: Monika Birkners Zielgruppe sind vielseitige Solopreneure, die eine „Klammer“ um alle ihre Interessen bringen wollen.
Tipp 5: Sandra Reekers – Life-Coach und Onlinekurs-Anbieterin: Vielleicht fühlst du dich in der Facebook-Gruppe von Sandra Reekers wohl? Hier kannst du dich mit anderen Scannerpersönlichkeiten vernetzen.
Tipp 6: Anita Weiß – Zeitplanerin und Podcasterin: Auf dem Blog von Anita Weiß findest du viele Anregungen für deine scannergerechte Zeitplanung. Sie bietet auch einen Podcast an.
So, und nun bist du dran. Mach dich auf und genieße dein Scannerleben!
Liebe Astrid,
durch deinen Besuch auf meinem Blog bin ich auf dich aufmerksam geworden und schau an, was für ein interessantes Thema dich bewegt. Den Begriff „Scannerpersönlicheit“ habe ich noch nie gehört, wurde jedoch nun in diesem Artikel von dir fündig und weiß nun, dass ich zumindest eine TEIL-Scannerin bin. Zum Teil nur deshalb, weil ich meine Projekte sehr wohl zu Ende bringe, aber eben durchaus viele parallel „bespiele“. Auch die übliche Langeweile ist mir absolut fremd und ja, an Zeitkrankheit leide ich auch.
Ich werde mich hier nach und nach durchlesen bei dir,
danke, dass du den Kontakt hergestellt hast!
Gruß Gabi
Liebe Gabi,
ich danke dir für deinen Kommentar – und wie schön, dass du vorbeigeschaut hast. Ja, ich finde das Thema unglaublich spannend und freue mich, wenn ich dich zu neuen Erkenntnissen über dich selbst inspirieren konnte.
Liebe Grüße
Astrid
Liebe Astrid,
es war mir eine Freude, deinen Artikel hier zu lesen. Vor allem hast du einen lebendigen Schreibstil, der ohne Schnörkel und Worthülsen auskommt.
Ich habe mich per Definition hier als „Scanner“ entdeckt. Bisher kannte ich den Begriff nicht. Ist „Scanner“ aber wirklich der richtige Begriff ?
Denn ein Scanner scannt stur, bis das zu Scannende fertigescannt ist. Das aber machten „Multiple Kreative“ nicht. Sie können zwar völlig die Zeit vergessen, wenn sie von etwas inspritiert und gefesselt sind. Da kann schon mal das Schlafen oder Essen vergessen werden. Du bleibst einfach dran.
Aber das heißt nicht, dass du fertig damit wirst und auch weitermachen wirst !
Ich fände den Begriff der „Konjunktvizidose“ (Erkrankung an den Möglichkeiten) als Kunstbegriff ganz treffend. Und die Betroffenen sind einfach
„multiple Kreationisten“. Mir gehts immer so: Wenn ich das eine mache, bin ich traurig, dass ich das andere lassen muss. Am liebsten habe ich mehrere Projekte gleichzeitig am laufen und fliege wie eine Biene herum. Auch als Grashüpfer kann ich mich sehen. Ich gebe dir Recht, wenn du sagst,
dass diese Fähigkeiten in Zukunft gebraucht werden. Entscheidungsfreude, Begeisterungsfähigkeit, eine starke Vorstellungskraft …. DAS ist das
was Zugpferde brauchen.
Was ich dir vor allem mitteilen möchte:
„Scanner“ wie du sie nennst, sollten aufhören, Projekte, Dinge fertigstellen zu wollen ! Es gibt einen Grund, wieso sie es selten tun !
Wieso sage ich das ?
Ich habe festgestellt, dass es 3 Grundtypen von Menschen gibt:
Der erste Typ ist der „Starter, der Beginner“
Der zweite Typ ist der „Fortführende. Der es am Leben erhält“
Der dritte Typ ist der „Stopper“ der Beender, der eine Sache zu einem guten Abschluß bringt. (Es gibt auch die Klötze am Bein, aber das ist ein anderes Thema)
Wenn du also viele Ideen hast, kreativ bist und einfach Freude am Neuen hast, dann ist das so.
Es muss Menschen geben, die Firmen gründen, Visionen haben, wissen, welche Ergebnisse sie haben wollen und wie sie die erreichen können.
Den „Kleinkram“ können andere machen. Du musst dich als Schnellstarter auch nicht um die Buchhaltung kümmern. Das ist nicht deine Aufgabe.
Wir müssen lernen, zu akzeptieren, dass Menschen grundverschieden sind und dass das gut ist. Es ist wie beim Fußball. Es kann nicht jeder Mittelstürmen oder Linienrichter oder Torwart sein. Ein Spiel wäre so nicht möglich.
Wir Scanner bzw. multiplen Kreativen Schnellstarter können und sollten nur in Jobs arbeiten, bei denen uns die Chefs freie Hand lassen.
Und am besten, wie arbeiten selbstständig. Aber Vorsicht: Wir brauchen Partner, Freunde, die Kontinuität in unseren Alltag bringen und uns den Rücken stärken, weil wir dazu tendieren, das Erbaute wieder einzureissen ….
Liebe Gabriele,
vielen, vielen Dank für deinen ausführlichen und sehr inspirierenden Kommentar! Ich freue mich riesig, dass dir mein Artikel gefallen hat und dass du dich darin als „Scanner“ wiedergefunden hast – auch wenn der Begriff dich zum Nachdenken gebracht hat. Deine Beschreibung von „multiplen Kreativen“ und die Idee der „Konjunktvizidose“ (grandioser Kunstbegriff!) sind wirklich treffend und eröffnen spannende Perspektiven.
Besonders dein Gedanke, dass es unterschiedliche Menschentypen gibt – die Starter, Fortführenden und Stopper – hat mich sehr berührt. Ich finde, da steckt so viel Wahrheit drin, und ich stimme dir voll und ganz zu: Es ist wichtig, die eigenen Stärken zu erkennen und sich darauf zu fokussieren, anstatt gegen die eigenen Naturen anzukämpfen. Es ist so erfrischend, deine Sichtweise zu lesen, dass nicht jeder alles „fertigstellen“ muss, um erfolgreich oder glücklich zu sein.
Dein Vergleich mit Fußballspielern und das Bild des „Grashüpfers“ sind einfach wundervoll und laden dazu ein, über die Vielfalt und Ergänzung von Fähigkeiten in der Welt nachzudenken. Und ja, die Welt braucht Scannerpersönlichkeiten! Sie bringen Visionen, Begeisterung und Kreativität mit, die in unserer immer komplexer werdenden Welt unabdingbar sind.
Ich danke dir von Herzen, dass du dir die Zeit genommen hast, so tiefgehend zu reflektieren und deine Gedanken mit mir und den anderen Leser*innen zu teilen. Solche Kommentare bereichern nicht nur meinen Blog, sondern auch mein eigenes Denken.
Alles Liebe und viele kreative Grashüpfer-Momente wünsche ich dir!
Herzlich, Astrid