Selbstständig als Scannerpersönlichkeit: Warum es bei mir nicht funktioniert hat

7. August 2022
Scannerpersönlichkeit selbstständig

Fragt man mich heute, warum ich meine Selbstständigkeit nach nur 4 Jahren aufgegeben habe, begründe ich das meistens damit, dass mir der Kontakt zu anderen Menschen fehlte. Das stimmt auch, aber es ist nur die halbe Wahrheit. Marita Eckmann, Coach und Business-Mentorin, hat in einem sehr ehrlichen Blogartikel über ihren traumatischen Start in ihre eigene Selbstständigkeit berichtet. Einiges davon habe ich ähnlich erlebt. Damals wusste ich nicht, dass man Menschen wie Marita und mich als Scannerpersönlichkeit bezeichnet und dass viele der gängigen Empfehlungen der Existenzgründungsberater bei uns nicht funktionieren.

Mit meinem heutigen Wissen hätte ich wohl einiges anders gemacht. Das heißt, auch damals wusste ich theoretisch genau, was richtig und was falsch war. Nur, es ist eben nicht immer so einfach, dieses Wissen auf die eigene Situation zu übertragen. Schon gar nicht als Scannerpersönlichkeit!

Selbstständig als alleinerziehende Mama? Lieber nicht …

In meiner Familie gab es zwar einige Erfahrungen mit der Selbstständigkeit, aber davon hatte ich nur am Rande einiges mitbekommen. Ich bin in der DDR aufgewachsen und nach der Wende ging es für mich vor allem darum, als alleinerziehende Mutter – meine Tochter ist im Januar 1990 geboren – zu überleben. Die größte Rostocker Wohnungsgesellschaft WIRO suchte damals Bauingenieure für ihr ambitioniertes Ziel, innerhalb von 10 Jahren ihren gesamten Wohnungsbestand – 32.000 Wohnungen – zu modernisieren. Dort ließ ich mich im Februar 1992 anstellen – mit dem Wissen, dass es ein „Projekt“ für etwa 10 Jahren sein würde.

Schnell fand ich dort meine Bestimmung, indem ich mit einem kleinen Team die Ausschreibungen der Bauleistungen organisierte. Konzipieren, strukturieren, Vorgänge straffen, schneller werden, mehr schaffen in weniger Zeit – darin war ich besonders gut.

Eine Kollegin von mir verließ das Unternehmen nach einigen Jahren und machte sich als Bauherrenberaterin selbstständig. Ich bewunderte sie und wünschte mir, ich hätte ihren Mut. Anders als viele meiner Kolleg:innen konnte ich mir sehr gut vorstellen, selbstständig zu sein. Aber das waren nur erste Gedanken, mehr nicht …

Kündigung und die schwierige Neuorientierung als Scannerpersönlichkeit

Das Modernisierungsprogramm meines Arbeitgebers dauerte nicht wie geplant 10, sondern 14 Jahre. Mir war klar, dass anschließend nicht mehr so viele Bauingenieure benötigt würden. Einige meiner Kolleg:innen fanden im Unternehmen Alternativen, aber mich interessierten die intern ausgeschriebenen Stellen nicht. Ich setzte mir selbst eine Deadline: Innerhalb dieser Frist wollte ich mir darüber im Klaren sein, wie es für mich weitergehen sollte. Im Unternehmen bleiben, dort eventuell etwas ganz anderes machen? Mich extern bewerben? Oder vielleicht so wie meine frühere Kollegin in die Selbstständigkeit starten? Wenn ja, womit?

In diesen Überlegungen steckte ich gerade, als die betriebsbedingte Kündigung für mich und weitere Kolleg:innen kam. Obwohl nicht unerwartet, war es ein Schock. Denn an diesem Tag hatte ich nun wirklich nicht damit gerechnet. Doch ich konnte anhand einer Liste mit Auswahlkriterien nachvollziehen, warum es mich traf: Ich war jünger, hatte nicht so viele Kinder und eine kürzere Betriebszugehörigkeit als andere, die bleiben konnten.

Das war im Jahr 2005. Zu dieser Zeit ging es der Bau- und Immobilienbranche in Rostock richtig schlecht. Nach einem anfänglichen Boom in den Neunzigerjahren gab es eine Flaute. Wer wollte und es sich leisten konnte, hatte längst ein Eigenheim gebaut oder eine Eigentumswohnung gekauft. Der Modernisierungsstau an der vorhandenen Bausubstanz war aufgeholt und es wurde nur noch vergleichsweise wenig gebaut.

Von den vielen Bauunternehmen, die nach der Wende entstanden waren um den scheinbar unerschöpflichen Bedarf zu decken, überlebten nur wenige. Es gab ein Überangebot an Immobilien jeder Art – heute unvorstellbar!

Auch meine Kündigung war auf diese Marktlage zurückzuführen, denn in den Jahren zuvor hatte mein Ex-Arbeitgeber durchaus konkrete Pläne für neue Geschäftsfelder im Anschluss an das Modernisierungsprogramm und damit Arbeit für Bauingenieure.

Da ich mich bereits mit Alternativen beschäftigt hatte, war ich nach der Kündigung schnell wieder guter Dinge und schaute nach vorn. Mit der Liste der offenen Stellen im Unternehmen, die mir beim Kündigungsgespräch vorgelegt wurde, hatte ich mich nicht ernsthaft beschäftigt. Ich versuchte auch nicht ernsthaft, mich extern zu bewerben. Über einen Headhunter hätte ich nahtlos wieder in die Festanstellung gehen können, aber zu Konditionen, die nicht annähernd dem entsprachen, was ich vorher hatte. Aber offenbar der Marktlage.

Ich wusste: Ich möchte selbstständig sein

Das untermauerte meinen Entschluss: Ich wollte mich endlich selbstständig machen. Jetzt oder nie! Doch was genau wollte ich anbieten?

Gab man in dieser Zeit zu, dass man Bauingenieur war, erntete man mitleidige Blicke. Ich wusste von freiberuflichen Bauingenieuren, die monatelang kein Einkommen hatten. Die von Bauherren gnadenlos gedrückt wurden und sich nicht trauten, das ihnen gesetzlich zustehende Honorar einzufordern. Für mich war klar: Ich will keine Bauingenieurin mehr sein!

Bereits einige Zeit vor der Kündigung hatte ich einen Fernkurs für Werbetexter beim Verlag für die Deutsche Wirtschaft begonnen. Dieser Verlag suchte Werbetexter, die Mailingtexte, ganz spezielle Verkaufstexte nach amerikanischem Muster, schreiben konnten. In Deutschland waren diese Mailingtexter ziemlich rar, und so bildete der Verlag seine späteren Freelancer selbst aus.

In der Phase meiner Neuorientierung hatte ich diesen Fernkurs noch nicht abgeschlossen. Ich hatte auch nicht den Mut, meine wirtschaftliche Existenz vollständig von dieser für Deutschland noch neuen Form des Werbetextens abhängig zu machen.

So startete ich doch mit dem, was ich zuvor als Angestellte gemacht hatte und am besten konnte: Ausschreibungen rund um die Immobilie. Mein Ex-Arbeitgeber unterstützte mich dabei mit Softwarelizenzen, Fachliteratur und ersten Aufträgen.

Selbstständig als Scannerpersönlichkeit: So war mein Start

Kurz nach Beginn meiner Selbstständigkeit schloss ich meine Werbetexterausbildung ab und konnte auch gleich mit ersten Aufträgen für den Verlag loslegen. Und ich verfasste eine monatlich erscheinende Fachzeitschrift, ebenfalls für den Verlag: „Auftragspraxis Bauhandwerk“.

Fachzeitschrift Auftragspraxis Bauhandwerk
Die Fachzeitschrift Auftragspraxis Bauhandwerk gibt es heute leider nicht mehr.

Der Start und das erste Jahr liefen also richtig gut. Doch dann wurde es schwierig.

Die Aufträge meines früheren Arbeitgebers konnten und sollten natürlich nur eine Starthilfe für die erste Zeit meiner Selbstständigkeit sein. Nun ging es darum, weitere Kunden zu gewinnen. Doch ich haderte mit meiner Positionierung. Wie ich inzwischen weiß, haben viele Scannerpersönlichkeiten damit zu kämpfen.

Mein innerer Widerstand gegen die Positionierung

Eine befreundete Bauingenieurin meinte, dass ich in Architekturbüros gar nicht erst vorsprechen müsse, die hätten ohnehin keinen Bedarf an meiner Dienstleistung. Daraufhin versuchte ich es auch gar nicht erst. Wahrscheinlich hatten viele Architekturbüros in dieser schwierigen Marktlage nicht einmal für ihre Angestellten genug Arbeit und hätten mich tatsächlich nicht beauftragt. Aber nur wenige Jahre später hörte ich von einer Frau, die sich in Rostock als Freelancerin auf Bauausschreibungen für Architekturbüros spezialisiert hatte. Das hätte ich sein können. Ich war es aber nicht.

In der Existenzgründungsberatung hatte man mir auch gesagt, dass „Ausschreibungen rund um die Immobilie“ viel zu breit sei, ich müsse mich spitz ausrichten. Beispielsweise sollte ich mich auf ein Thema wie die Wärmedämmung konzentrieren. Ich wusste, dass das aus Marketingsicht auch richtig war, es fühlte sich für mich aber nicht passend an.

Als Angestellte war ich darin aufgegangen, besonders knifflige Ausschreibungsaufgaben zu lösen, gern durften es auch immer wieder neue Themen sein. In meinem Job ging es darum, die anstehende Aufgabe zu beschreiben, das passende Vergabeverfahren auszuwählen und letztendlich den passenden Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot zu finden. Dafür nutzte ich einen methodischen „Werkzeugkoffer“, den ich auf die unterschiedlichsten Themen anwenden konnte.

Vor lauter Verunsicherung war ich wie gelähmt …

Ich tat mich also sehr schwer damit, mich „spitz“ zu positionieren – mit dem Ergebnis, dass gar nichts passierte. Ich war so verunsichert, dass ich mich überhaupt nicht um die Kundengewinnung bemühte.

Inzwischen kenne ich Ausschreibungsbüros, die sich jeweils auf sehr unterschiedliche, schwierige Ausschreibungsthemen spezialisiert haben: Die Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen, von Energie oder von Leistungen zur Gebäudereinigung zum Beispiel. Oder auch die Erarbeitung von Rahmenverträgen zur Immobilienunterhaltung. Das sind Themen, für die Fachwissen nötig ist, das in kleinen und mittleren Verwaltungen nur selten vorhanden ist. Auch das hätte mein Weg sein können, wenn ich dazu bereit gewesen wäre. Doch damals wollte ich mich nicht festlegen. Ich wollte lieber „alles“ – und machte am Ende nichts davon aus Angst, dass mir niemand meinen Bauchladen abnehmen würde.

Auch mit meiner Webseite ging es nicht voran. Denn wie beschreibe ich mich und das, was ich anbiete? Ausschreibungsbüro und Werbetexten? So kam es, dass ich gleich zu Beginn meiner Selbstständigkeit zwar meine Domain astridengel.de registriert hatte, die Website dazu aber nie den Weg in die Öffentlichkeit fand – was sich erst jetzt ändert.

Ich ließ also mein Ausschreibungsbüro immer mehr schleifen. Ich konzentrierte mich lieber auf das Werbetexten. Allein schon die Aufträge des Verlages hätten meine Existenz sichern können, aber da war ja das Thema Scheinselbstständigkeit. Schon aus diesem Grund war es nötig, weitere Auftraggeber zu gewinnen. Das gelang mir auch durch z.B. Zeitungsanzeigen, aber es war mühsam, weil ich noch kein definiertes Angebot hatte.

Bürogemeinschaft und endlich „mein Thema“

Von Anfang an hatte ich mir ein Büro in der Rostocker Innenstadt eingerichtet. Anfangs schätzte ich es sehr, ungestört und konzentriert zu arbeiten. Als Angestellte hatte ich mir das immer gewünscht. Doch nach einem Jahr war die Einsamkeit kaum auszuhalten. Mit meinen Auftraggebern vom Verlag gab es gelegentlich mal ein Treffen, aber in der Regel lief die Kommunikation per E-Mail, selten per Telefon. Und auch meine anderen Auftraggeber traf ich nur selten persönlich. Als eine befreundete Immobilienmaklerin nach einem Büro suchte, wurden wir uns schnell darüber einig, dass wir eine Bürogemeinschaft gründen würden.

Anfangs ging es bei unserer Bürogemeinschaft vor allem darum, sich gegenseitig zu unterstützen, auch mal die Mittagspause miteinander zu verbringen und einige Kosten zu teilen. Doch schon nach kurzer Zeit ergaben sich weitere Synergien.

Wir waren beide Bauingenieurinnen, kannten uns von unserem Studium und waren gut befreundet. Ihr Thema war die Vermittlung von Immobilien, meins war das Texten.

Durch meine Arbeit für den Verlag kannte ich mich mit dem Onlinemarketing aus. Meine Büropartnerin nahm meine Anregungen sehr gern an und so entdeckte ich eine Zielgruppe, der ich mit meinen speziellen Erfahrungen helfen konnte: Immobilienmakler. Endlich wusste ich, wohin ich wollte …

Meine neue Nische: Onlinemarketing für Immobilienmakler

Eins meiner Vorbilder war die amerikanische Copywriterin Marte Cliff, deren Zielgruppe die amerikanischen Real Estate Agents waren.

Ich baute meinen Blog www.immocopy.de auf, schrieb regelmäßig Blogartikel zum Thema Immobilienmarketing und knüpfte über Facebook Kontakte zu Immobilienmaklern. Zu einer Zeit, als das Onlinemarketing in Deutschland noch weitgehend unbekannt war, hatte ich einen eigenen Newsletter und ein sogenanntes Freebie zur Kundengewinnung. Das heißt, ich verschickte eine automatisierte E-Mail-Serie mit Tipps zur Immobilienvermarktung im Austausch gegen die E-Mail-Adresse des Empfängers.

In der Immobilienvermarktung nahm das Thema Onlinemarketing gerade an Fahrt auf. Es gab einige Dienstleister, die neue Ideen, Strategien und Tools zur Immobilienvermarktung und zur Neuausrichtung von Maklerbüros entwickelten. Vorreiter war die Zeitschrift „Immobilien-Profi“, die regelmäßig Innovationen aus der Branche vorstellte.

Mein Blog fand immer mehr Aufmerksamkeit, es gab Kontakte zu meiner Zielgruppe und erste Aufträge. Andere Selbstständige beauftragten mich mit WordPressinstallationen, Webseitentexten, Newslettern und der Pflege ihrer Webseite. Auch wenn ich diese Leistung nicht aktiv angeboten hatte, kamen die Aufträge von selbst. Eine Dame reiste sogar aus Süddeutschland an und ließ sich eine Woche lang von mir bei der Einrichtung ihrer Webseite unterstützen. Eine Newsletterempfängerin fragte nach „meinem Angebot zum Kaufen“, das es zwar noch nicht gab, das aber schon geplant war.

Das mag sich alles ganz optimistisch anhören. Doch „da draußen“ wütete zu dieser Zeit gerade die Finanzkrise. Die Immobilienvermarktung war ein sehr, sehr hartes Brot. Deutschlandweit, aber hier an der Ostsee erlebten wir es hautnah. Und in dieser Zeit machte ich mit meiner Büropartnerin einen verhängnisvollen Deal …

So ging es bergab mit meiner Selbstständigkeit

Meine Büropartnerin war sehr interessiert und offen für die neuen Vermarktungsmethoden, über die wir in der „Immobilien-Profi“ und anderswo gelesen hatten. Ich wollte sie bei der Umsetzung unterstützen. Nur … sie konnte mich nicht gleich dafür bezahlen …

Im Gegenzug wollte sie mich an ihren Provisionen beteiligen, sobald ein Verkauf zustande gekommen wäre. Der Prozentsatz, den sie mir angeboten hatte, war wirklich ausgesprochen fair. Nur, ohne Verkauf auch keine Provision und damit auch kein Anteil für mich.

Nun folgte eine sehr, sehr harte Zeit. Wir beide arbeiteten uns halb tot. Ich setzte für sie einen Newsletter auf, erarbeitete ein Freebie, also ein E-Book mit relevanten Informationen für ihre Kunden im Austausch für den Eintrag in ihren Newsletter, erarbeitete Verkaufsskripts, Anzeigen, Immobilienexposees, Flyer, Postkarten und vieles mehr. Sie gewann sehr viele neue Vermarktungsaufträge, aber bis es tatsächlich mal zum Abschluss kam, konnten Monate vergehen.

Ich hatte nach wie vor ein regelmäßiges Einkommen durch meine Aufträge vom Verlag, aber da ich einen großen Teil meiner Arbeitszeit in den Aufbau unseres gemeinsamen „Babys“ investieren wollte, hatte ich diesen Teil auf ein Minimum reduziert.

Nur von diesen Einnahmen konnte ich meinen Lebensunterhalt auf Dauer nicht bestreiten. Meine Tochter absolvierte gerade im Ausland ihre Ausbildung und ich war für ihren Lebensunterhalt verantwortlich. Außerdem war unsere Immobilie noch lange nicht bezahlt. Eine bestimmte Summe musste also regelmäßig da sein. Auch mein Lebensgefährte wurde zunehmend nervös, schließlich waren wir mit unserer Immobilienfinanzierung eine gemeinsame Verpflichtung eingegangen.

Die Erkenntnis: So will ich nicht weitermachen

Diese Phase, in der wir beide nahezu ununterbrochen arbeiteten und unser Einkommen davon abhing, dass ein Kunde „ja“ sagt, war regelrecht traumatisch. Unsere Zusammenarbeit – und auch unsere Freundschaft – wurden auf eine sehr harte Probe gestellt.

Für meine Büropartnerin war es noch schlimmer als für mich. Ich hatte ja niemals einen Monat ohne Einkommen erlebt, für sie war das in dieser Zeit normal. Sie hatte manchmal monatelang keinen Cent gesehen, und sobald dann die Provisionen eingingen, mussten von der auf den ersten Blick hohen Summe die Unkosten beglichen werden.

Längst hatte ich bereut, worauf ich mich eingelassen hatte. Irgendwann Ende 2010 kam dann der Gedanke: Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr. So nicht. Aber wie dann?

Erst mal wieder ins Angestelltenverhältnis – auf Probe

Um mir Luft zu verschaffen und um in Ruhe über meinen weiteren Weg nachdenken zu können, beschloss ich, mir erst mal für ein paar Monate ein festes Einkommen zu suchen. Ich begann, Stellenanzeigen zu lesen und entdeckte, dass Bauingenieure neuerdings wieder gesucht werden. Nach nur wenigen Bewerbungen fand ich eine befristete Stelle in der Bauverwaltung eines Amtes. Die Befristung war für mich genau das Richtige, mehr wollte ich eigentlich gar nicht. Wichtig war für mich die Genehmigung meines Arbeitgebers, dass ich für den Verlag auch weiterhin nebenberuflich arbeiten kann.

Die Einarbeitung kostete erst einmal wieder viel Kraft. Aber trotzdem konnte ich erst einmal aufatmen. Viele Kollegen waren unzufrieden mit, wie ich fand, Nebensächlichkeiten. Ich genoss es, dass ich „nur“ arbeiten musste. Mein Büro: Miete bezahlt. Mit Büromöbeln, Technik, Büromaterial. Wenn die Technik nicht so funktionierte wie sie sollte, kümmerte sich jemand darum. Pünktlich zum Monatsende war Geld auf dem Konto. Immer die gleiche Summe, und die Beiträge für Krankenkasse, Rente und Steuern etc. war schon abgezogen. Wie komfortabel …

Aus befristet wird nun doch unbefristet

Mein Chef war ebenfalls ein ehemaliger Freiberufler, der nach 20 Jahren Selbstständigkeit sein Ingenieurbüro aufgegeben hatte und ein halbes Jahr zuvor als Bauamtsleiter angefangen hatte. Ich glaube, ihm habe ich auch zu verdanken, dass ich eingestellt wurde. Die Chemie zwischen uns stimmte sofort. Er sagte immer: Die Arbeit kommt von selbst … und wird garantiert bezahlt. Wir beide wussten, wie es gemeint war. Als die Befristung auslief, wurde mir ein unbefristeter Vertrag angeboten – und ich nahm an.

Im Jahr 2011 ging es langsam wieder aufwärts in der Bau- und Immobilienbranche. Es wurde wieder gebaut, jahrelang leerstehende Einfamilienhäuser fanden endlich Käufer, die leeren Wohngebiete füllten sich allmählich. Heute kann sich kein Mensch vorstellen, wie trostlos die Situation damals war. Heute werden für Immobilien jeder Art Höchstpreise aufgerufen. Junge Familien haben auch als Gutverdiener kaum mehr die Chance, eine Immobilie nach ihren Vorstellungen zu finden und zu finanzieren. Wer hätte sich das jemals vorstellen können …

Meine Büropartnerin hatte zwar noch einige Jahre als Maklerin gearbeitet, aber irgendwann verließen auch sie die Kräfte. Auch sie ist heute fest angestellt. Wir sind immer noch gut befreundet.

So geht es mir heute

Heute arbeite ich noch immer im Bauamt – und immer noch sehr gerne. Ich mag die Arbeit und die Menschen, mit denen ich zusammenarbeite. Dass es bestimmte Strukturen und Regeln gibt, damit kann ich sehr gut leben. Und ich habe eine große Gestaltungsfreiheit innerhalb meines Sachgebiets, das inzwischen wieder die Auftragsvergabestelle ist.

Fun fact: Für bestimmte Themen suche ich immer wieder händeringend nach spezialisierten Ausschreibungsbüros.

Für den Verlag arbeite ich nach wie vor nebenberuflich, diesen kreativen Gegenpart brauche ich einfach. Ich bin sehr dankbar für die seit dem Jahr 2005 andauernde Zusammenarbeit.

Und trotzdem: Ich möchte immer noch gern selbstständig sein. Mein eigenes Produkt, meine eigene Dienstleistung entwickeln. Denn auch die Arbeit für den Verlag ist ja nichts Eigenes. Der Verlag bestellt – ich liefere.

Das Onlinemarketing hat mich damals fasziniert und tut es immer noch. Inzwischen hat sich so vieles verändert. Als ich mich für das unbefristete Arbeitsverhältnis entschieden hatte, war erst mal kaum Zeit für den Blog. Und ich mochte mich auch nicht mehr mit dem Thema befassen. Ich wollte die schlimme Zeit rund um die Immobilienvermarktung einfach nur hinter mir lassen und nichts mehr davon hören und sehen.

Ich hörte dann nur noch nebenbei von Abmahnwellen, es muss noch die Zeit vor der DSGVO gewesen sein. Um mir nicht auch noch Ärger einzuhandeln, weil mein verwaister Blog irgendwelche neuen Bestimmungen nicht einhielt, machte ich ihn kurzerhand platt.

Als ich von Judiths Peters und ihrer Blogcommunity The Content Society hörte, war mir sehr schnell klar, dass ich dort richtig bin. Ich fange zwar wieder von vorne an, aber irgendwie baue ich doch auf etwas auf. Ich habe den Eindruck, dass sich jetzt auf wundersame Weise verschiedene Puzzleteile zusammenfügen, und ich bin einfach nur gespannt auf das, was sich entwickelt.

Über mich

Astrid Engel

Hey, ich bin Astrid. Auf meinem Blog dreht sich alles um Struktur, Planung, Zeitmanagement und Organisation für Scannerpersönlichkeiten, Multitalente, Multipotentialite und kreative Chaoten. Nenne uns, wie du willst – für mich sind wir einfach „Scanner“.

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6 Kommentare

  1. Was für ein unglaublicher Beitrag – und Weg, liebe Astrid. Zwischendurch musste ich fast weinen, so berührt war ich. Ehrlich. Ich kann das alles sooooo gut nachfühlen, aber das weißt Du ja. Es wird Zeit, dass auch über diese Seiten der Selbstständigkeit gesprochen wird. Vielen Dank für diesen sehr persönlichen und ehrlichen Einblick in Dein Leben.

    Liebe Grüße aus München von Marita

    Antworten
    • Liebe Marita,

      ich danke dir ganz herzlich für dein Feedback – und dafür, dass du mich zu diesem Artikel inspiriert hast. Es ist schon so lange her, und ich bin heute ganz froh darüber, dass ich es damals wenigstens versucht habe mit der Selbstständigkeit. Auch wenn da immer noch ein kleiner Stachel sitzt …

      Liebe Grüße nach München von Astrid

      Antworten
  2. Liebe Astrid,
    beim Lesen habe ich Gänsehaut bekommen.
    Mich freut es, Dass du nicht aufgibst! Und ich erkenne, dass es mir ähnlich ging: nach einer Zeit erfolgloser Selbstständigkeit bin ich in meinen alten Beruf zurückgegangen, erst befristet, dann unbefristet, insgesamt für 8 Jahre und brauchte erst mal den Abstand. Nun wage ich es wieder, ich geb einfach nicht auf.
    Bitte schreib weiter! Alles Liebe,
    Antje

    Antworten
    • Liebe Antje,

      ganz herzlichen Dank für dein Feedback. Ja, so ungewöhnlich ist dieser Weg wohl nicht. Nun bin ich gespannt, was das Leben noch so für mich bereithält. Ich wünsche dir alles Gute, super, dass du weitermacht!
      Alles Liebe, Astrid

      Antworten
  3. Mein Onkel ist derzeit auf der Suche nach einer Existenzgründungsberatung. In diesem Zusammenhang ist es gut zu wissen, was eine sogenannte Scanner Persönlichkeit ist. Ich hoffe, dass er einen passenden Anbieter finden wird.

    Antworten
    • Oh ja, das kann ich bestätigen. Glücklicherweise ist das Thema Scannerpersönlichkeit inzwischen „salonfähig“ geworden, so dass er sicherlich jemand passendes finden wird, wenn er gezielt danach Ausschau hält.

      Antworten

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