Manchmal bleibe ich abends viel länger wach, als ich eigentlich sollte. Nicht, weil ich nicht schlafen könnte – sondern, weil ich gerade dann in den Flow komme. Vor einiger Zeit bin ich auf den Begriff „Revenge Bedtime Procrastination“ gestoßen. Klingt sperrig, aber beschreibt genau dieses Phänomen: Wir schieben das Schlafengehen hinaus, um noch ein Stück Zeit für uns selbst zu haben. Genau das kenne ich nur zu gut – und genau deshalb wollte ich einmal genauer hinschauen.
Ich fühle mich fit – doch warum bleibe ich so lange wach?
Ich bin so jemand, die gut mit wenig Schlaf klarkommt. Ich hab mich daran gewöhnt – vielleicht, weil mein Alltag einfach immer ziemlich voll ist. Hauptjob, Nebenberuf, Alltag, Familie, Projekte. Irgendwann hat sich dieses „wenig schlafen“ einfach eingeschlichen. Und ich hatte nie das Gefühl, dass mir wirklich etwas fehlt.
Trotzdem frage ich mich manchmal: Warum bleibe ich abends so lange wach? Nicht, weil ich mich ablenken will oder keine Lust auf den nächsten Tag habe – sondern, weil ich oft gerade dann richtig in den Flow komme. Ich arbeite an meinen Projekten, schreibe, entwickle Ideen, bringe Dinge zu Ende. Und das fühlt sich richtig gut an. Ich will gar nicht aufhören – denn wenn ich einmal drin bin, läuft es.
Als ich zum ersten Mal von „Revenge Bedtime Procrastination“ gelesen habe, war ich trotzdem sofort hellhörig. Der Begriff klang sperrig – aber irgendwas daran kam mir bekannt vor. Kann es sein, dass ich unbewusst den Schlaf nach hinten schiebe, weil ich das Gefühl habe, dass der Tag sonst unvollständig bleibt?
Ich weiß es nicht genau. Aber ich merke: Auch wenn ich mich nicht müde fühle, nutze ich diese Zeit abends für das, was mir wichtig ist. Vielleicht ist es gar kein Schlafproblem – sondern eine stille Sehnsucht, endlich mal zu dem zu kommen, was ich wirklich will.
Was bedeutet „Revenge Bedtime Procrastination“ eigentlich?
Der Begriff „Revenge Bedtime Procrastination“ stammt ursprünglich aus dem chinesischen Internet – und er hat sich inzwischen weltweit verbreitet. Wörtlich übersetzt heißt er so viel wie: „Rache durch Aufschieben der Schlafenszeit.“ Klingt erstmal übertrieben – aber wenn man genauer hinschaut, ist da etwas dran.
Es beschreibt ein Verhalten, bei dem Menschen den Schlaf bewusst nach hinten schieben, um sich Zeit für sich selbst zu nehmen – weil sie tagsüber wenig Kontrolle über ihre Zeit hatten. Der Abend wird zur Rebellion gegen die Fremdbestimmung. Auch, wenn man das vielleicht gar nicht so dramatisch empfindet.
Für mich fühlt es sich weniger nach „Rache“ an – sondern eher wie eine Art Selbstbehauptung. Jetzt bin ich dran. Jetzt arbeite ich an meinen Themen. Jetzt darf ich endlich produktiv sein – ohne Ablenkung, ohne Termine, ohne äußere Anforderungen.
Und auch wenn ich nicht absichtlich gegen den Schlaf arbeite, sondern eher mitten in etwas drin bin, frage ich mich trotzdem: Was passiert da eigentlich in mir? Bin ich wirklich so energiegeladen – oder laufe ich auf Reserve, ohne es zu merken?
Ich merke jedenfalls: Der Begriff hat bei mir etwas angestoßen. Nicht als Diagnose. Sondern als Einladung, genauer hinzuschauen.
Warum wir uns abends gegen den Schlaf entscheiden
Abends werde ich produktiv. Oft fängt das so gegen 19 … 20 Uhr an – dann fließen die Gedanken, dann entstehen Ideen, dann kommt dieser Sog: Ich bin drin. Und das fühlt sich gut an. Richtig gut. Ich schreibe, denke, entwickle – und ich will gar nicht aufhören. Ich bin im Flow. Lies dazu auch:
Was ist Flow? Meine persönlichen Erfahrungen mit dem beflügelnden Arbeitsglück
Es ist nicht so, dass ich krampfhaft Zeit für mich suche oder aus dem Alltag fliehen will. Es ist eher: Jetzt läuft’s. Und genau deshalb fällt es mir so schwer, einfach aufzuhören. Ins Bett zu gehen fühlt sich in dem Moment an wie eine Unterbrechung, wie ein Abbruch. Als würde ich etwas Wichtiges verlieren – eine Idee, einen Gedanken, ein Gefühl.
Ich weiß natürlich, dass Schlaf wichtig ist. Aber gleichzeitig denke ich: Wenn ich jetzt aufhöre, verpasse ich diesen Moment. Vielleicht finde ich ihn morgen nicht wieder. Vielleicht ist die Energie dann weg. Und so verschiebe ich das Schlafengehen – nicht aus Trotz oder Ablenkung, sondern aus purer Motivation.
Und genau das ist der schmale Grat. Denn auch wenn es sich gerade richtig anfühlt, frage ich mich im Nachhinein manchmal: Wäre es nicht besser gewesen, aufzuhören? Oder anders gefragt: Wie finde ich einen Weg, meinen Abendflow wertzuschätzen – ohne mich damit langfristig auszupowern?
Für mich ist das keine einfache Frage. Es ist eher ein innerer Aushandlungsprozess: zwischen meiner Lust am Tun und meinem Bedürfnis nach Erholung. Und ich beginne erst jetzt, genauer hinzuschauen, was dahintersteckt – und was ich wirklich brauche.
Vielleicht hat das Ganze auch mit meiner Scanner-Persönlichkeit zu tun. Denn gerade wir Scanner:innen sind abends besonders anfällig für diesen Flow. Tagsüber jonglieren wir Arbeit, Familie und Alltag – und abends ist endlich der Moment, wo die Ideen sprudeln dürfen.
Scanner haben oft zig Projekte im Kopf, die sie am liebsten alle gleichzeitig verfolgen würden. Und wenn dann endlich Ruhe einkehrt, ist da plötzlich Raum für Kreativität. Kein Wunder also, dass wir die Nacht gern noch ein Stück länger ausdehnen – auch wenn wir es später vielleicht bereuen.
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Was das Ganze mit unserer Gesundheit (und Psyche) macht
So beglückend dieser Abendflow auch ist – ich frage mich immer öfter: Was macht das eigentlich mit mir? Nicht heute, nicht morgen. Sondern auf Dauer.
Weil ich eben meistens wenig schlafe. Nicht dramatisch zu wenig, aber halt regelmäßig unter dem, was „empfohlen“ wird. Und auch wenn ich mich tagsüber gut fühle, ist da doch diese kleine Stimme, die fragt: Wie lange noch?
Denn es heißt ja immer: Schlafmangel wirkt sich aus. Nicht unbedingt sofort – aber schleichend. Konzentration, Immunsystem, Stressresistenz – all das hängt mit unserer Schlafqualität zusammen. Obwohl die bei mir wohl okay ist … meine Smartwatch lobt mich jedenfalls immer, weil ich so gut schlafe.
Aber auch unser Nervensystem braucht nun mal echte Ruhephasen, um zu regenerieren.
Was mich besonders nachdenklich macht: Es gibt wohl eine Art „verzögerte Müdigkeit“, die man im Alltag leicht übersieht. Wenn ich in meinem Projektfokus bin, merke ich oft gar nicht, dass mein Akku sich langsam leert. Ich funktioniere einfach weiter.
Wenn das tatsächlich so ist, befürchte ich, dass irgendwann gar nichts mehr geht – oder ich krank werde.
Auch psychisch kann dauerhafte Schlafverkürzung einen Effekt haben. Weniger Impulskontrolle, schneller genervt, innerlich unruhiger. Nicht extrem, aber subtil. Und vielleicht fällt es mir erst auf, wenn ich zufällig mal mehr schlafe – und merke, wie viel klarer und entspannter ich dann bin.
Ich will hier gar kein Drama machen. Es geht mir nicht darum, mir den Abendflow zu verbieten. Aber ich will bewusster hinschauen: Was brauche ich wirklich? Und: Wie kann ich mir meinen kreativen Raum erhalten – ohne mich selbst zu übergehen?
Was ich aus dieser Erkenntnis für mich (vielleicht) mitnehme
Ich hab für mich noch keine endgültige Antwort gefunden – und vielleicht ist das auch gar nicht nötig. Aber ich merke, dass ich gerade ein neues Bewusstsein entwickle. Ich beobachte mich. Ich frage mich: Was treibt mich an, abends noch weiterzumachen? Und: Was würde passieren, wenn ich früher aufhöre?
Ich glaube nicht, dass ich einfach nur zu wenig schlafe. Ich glaube, dass ich mein Bedürfnis nach Kreativität, Selbstverwirklichung und „ich will vorankommen“ oft über den Schlaf stelle. Nicht, weil ich mich absichtlich vernachlässige – sondern weil es mir in dem Moment wichtiger erscheint. Weil es sich gut anfühlt. Und weil es mir wirklich etwas gibt.
Aber genau deshalb will ich noch genauer hinschauen. Ich will nicht nur funktionieren – ich will mir langfristig meine Energie bewahren. Und das bedeutet für mich: herausfinden, was mir gut tut – und was nicht.
Für mich reicht Nachdenken allein nicht – ich will es ausprobieren. Weil mich das Thema so beschäftigt, habe ich daraus gleich meine nächste 30-Tage-Challenge gemacht: Ich versuche, 30 Tage lang früher ins Bett zu gehen. Weniger als Selbstoptimierungsprogramm, eher als liebevoller Selbstversuch. Eine Einladung an mich selbst, neue Wege zu entdecken, wie ich meine Abende gestalten kann.
Wie genau ich das mache, erzähle ich hier:
👉 Bedtime-Challenge: Warum ich 30 Tage lang früher ins Bett gehe
Wenn du dich in meinen Gedanken irgendwo wiedererkennst – dann lade ich dich ein, mitzuforschen. Vielleicht müssen wir gar nicht aufhören, abends kreativ zu sein. Vielleicht lernen wir, wie wir dabei auch gut für uns sorgen.
Mini-Impuls für dich:
Beobachte heute Abend einmal bewusst, warum du wach bleibst.
- Ist es, weil du müde bist, aber noch „schnell etwas fertig“ machen willst?
- Oder weil du gerade so vertieft bist, dass du gar nicht ans Schlafen denkst?
- Oder weil du das Gefühl hast, dass der Tag sonst unvollständig wäre?
Notier dir kurz, was es war – ohne Bewertung. Allein dieses Hinschauen kann schon ein spannender Aha-Moment sein.
Fazit: Zwischen Abendflow und Selbstfürsorge – ein Balanceakt
Ich habe keine klare Antwort, aber viele neue Fragen. Und vielleicht ist genau das der wichtigste Schritt: überhaupt hinzuschauen. Nicht, weil ich dringend etwas ändern muss – sondern weil ich verstehen will, was da eigentlich in mir wirkt.
„Revenge Bedtime Procrastination“ ist für mich kein reines Schlafproblem. Es ist ein Beziehungsthema – zwischen mir und meiner Zeit. Zwischen meinen Bedürfnissen und meinem Alltag. Zwischen dem Wunsch, etwas zu schaffen, und dem Bedürfnis, gut auf mich aufzupassen.
Ich glaube, es geht nicht nur darum, früher ins Bett zu gehen. Wichtig ist vor allem, zu hinterfragen: Was brauche ich gerade wirklich? Und wenn das Schlaf ist – okay. Und wenn es ein Gedanke ist, den ich noch zu Ende denken will – auch okay. Wichtig ist nur, dass ich es bewusst tue.
Die 10 wichtigsten Erkenntnisse (Key Takeaways):
- Ich schlafe wenig, aber fühle mich nicht erschöpft.
- Trotzdem bleibe ich oft lange wach – weil ich produktiv bin.
- „Revenge Bedtime Procrastination“ beschreibt genau dieses Muster.
- Es geht nicht um Faulheit – sondern um ungestillte Bedürfnisse.
- Mein Abendflow ist wertvoll, aber auch kraftzehrend.
- Schlafmangel wirkt oft schleichend – körperlich wie mental.
- Ich beginne, mein Verhalten bewusst zu beobachten.
- Selbstfürsorge heißt nicht: aufhören, was mir Spaß macht.
- Es geht um Balance – nicht um Disziplin.
- Mein neuer Selbstversuch als 30-Tage-Challenge.
3 Tipps für dich, wenn du dich wiedererkennst:
- Beobachte dich bewusst: Wann beginnt dein Abendflow? Was gibt er dir?
- Frage dich ehrlich: Was brauchst du wirklich – Schlaf, Fokus, Ruhe oder Ausdruck?
- Finde kleine Rituale: Vielleicht hilft ein fester „Abschlussmoment“, damit du leichter loslassen kannst.
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