Welches sind deine drei wichtigsten Werte? Diese Frage stellte uns Judith Peters in TheContentSociety vor einigen Wochen. Ich musste darüber erst mal eine Weile nachdenken. Klar weiß ich, was mich in meinem Leben antreibt. Es in Worte zu fassen, ist noch einmal eine ganz andere Sache. Und ich glaube auch, dass Werte sich im Laufe des Lebens verändern können. Deshalb – hier sind meine momentan wichtigsten Werte im August 2023.
Wert 1: Crescendo-Mindset
Viele Menschen haben Angst vor Veränderungen und sind Neuem gegenüber misstrauisch oder lehnen es gleich ganz ab. Das kenne ich von mir nicht. Im Gegenteil. Meistens bin ich gleich Feuer und Flamme.
Gerade im Berufsleben merke ich oft, dass ich in dieser Hinsicht etwas anders ticke als viele meiner Kolleg:innen. Wird eine neue Software eingeführt, werden Büros umgestaltet, Abläufe und Strukturen verändert, gehöre ich zu den wenigen, die sich gern in die Neugestaltung oder den Veränderungsprozess einbringen.
Natürlich weiß ich, dass „neu“ nicht zwingend auch „besser“ ist. Deshalb versuche ich im zweiten Schritt auch, meine Begeisterung zu hinterfragen. Doch diese Überlegung und Abwägung muss ich bewusst anstellen, im Gegensatz zu meinem ersten Impuls, in dem ich aus dem Bauch heraus sage: super Sache!
Überhaupt schaue ich lieber nach vorn statt zurück. Selten denke ich aus eigenem Antrieb über vergangenes nach oder stochere in meinem früheren Leben herum, auch wenn es hier auf dem Blog etwas anders aussehen mag. Dann wurde ich aber immer von außen dazu angeregt, meine Vergangenheit zu reflektieren – beispielsweise durch eine Challenge oder eine Themeninspiration.
Ansonsten bin ich eher zukunftsorientiert. Schon immer war es so, dass mir mein aktuelles Leben besser gefiel als das vergangene – und in meiner Vorstellung wird alles immer noch wunderbarer, als es schon ist. Das ist einfach mein Lebensgefühl – und es erstaunt mich immer wieder, dass sich „gut“ immer noch steigern lässt.
Vor einigen Monaten habe ich erstmals über das Crescendo-Mindset gelesen. Bestsellerautor Dr. Stephen R. Covey hat sein Crescendo-Mindset im Alter von 78 Jahren beschrieben – eine Lebenseinstellung, nach der die wichtigsten Projekte immer noch vor uns liegen. Ich dachte sofort: Wow, das ist es! Der meint mich 🙂 …
Ich trauere nie irgendwelchen vergangenen Zeiten hinterher. Ich glaube, diese unbewusste Einstellung hilft mir dabei, glücklich und zufrieden zu sein. Ich erkenne zwar, was sich gegenwärtig in der Welt und um mich herum verändert und finde viele Entwicklungen überhaupt nicht gut. Aber eine “gute alte Zeit” wünsche ich mir dann aber doch nicht zurück.
Wert 2: Better-done-than-perfect
Lernen, weiterentwickeln, kreieren, optimieren, Neues entdecken – es gibt nichts schöneres für mich. Mit Perfektionismus kann ich dabei nichts anfangen. Ich lerne durchs Ausprobieren. Erst mal machen, und dann schauen, was daraus wird. Nachsteuern, optimieren, verbessern. Detaillierte Planungen sind nicht so mein Ding.
Deshalb lautet mein Motto: Better-done-than-perfect, was soviel bedeutet, dass es wichtiger ist, ein Projekt schnell umzusetzen, als es so lange zu verzögern, bis es endlich perfekt ist (was vielleicht nie geschieht).
Das soll natürlich nicht heißen, dass ich oberflächlich oder sogar fahrlässig handeln würde. Aber gerade, wenn ich auf einem Gebiet Neuland betrete, bin ich nicht so gut darin, jedes Detail zu durchdenken, alle Eventualitäten vorauszusehen, die Konsequenzen zu überblicken.
Wahrscheinlich bin ich auch viel zu ungeduldig. Ich mag mir einfach nicht die Zeit für das Perfektionieren bereits guter Ergebnisse nehmen. Glücklicherweise bin ich keine Herzchirurgin oder Flugzeugkonstrukteurin.
Dort, wo ich mich sehr gut auskenne, handle ich routiniert, besonnen und weitsichtig und überblicke, welche Folgen bestimmte Handlungen haben können. Hier entfaltet mein Prinzip „better-done-than-perfect“ erst recht seine Wirkung, denn ich kann hier noch besser einschätzen, wieviel Aufwand ich wirklich betreiben muss und wo unnötiger Perfektionismus anfängt.
Für mich ist beides wichtig. Einerseits das routinierte Handeln auf dem Fundament von Erfahrung und Wissen. Die Basis, die ich mir jahrelang erarbeitet habe und die mir Sicherheit gibt. Auf der anderen Seite das Neue, Kreative, Innovative. Bei mir funktioniert beides am besten nach dem Motto better-done-than-perfect …
Wert 3: Minimalismus
Moment mal … minimalistisch? Wer mich kennt, wird mich vermutlich nicht gerade für minimalistisch halten. Dazu habe ich viel zu viele Dinge, von denen ich mich auch gar nicht trennen möchte. So träume ich wohl mehr vom Minimalismus, als dass ich ihn tatsächlich lebe. Aber von vorn.
Für mich bedeutet Minimalismus, dass ich nur noch Dinge kaufe, die ich benötige (wie auch immer ich „benötigen“ definieren mag), dass ich Gegenstände langfristig nutze und nicht nur deshalb ersetze, weil sie mir nicht mehr gefallen. Außerdem gehört für mich dazu, dass ich aussortierte Dinge wenn möglich einer weiteren Nutzung zuführe, indem ich sie verschenke, verkaufe oder „upcycle“.
Ich wurde so erzogen. Meine Eltern und Großeltern haben im Krieg Hunger und Entbehrungen erlebt, das prägt wohl für immer. Jedenfalls wurde bei uns alles bis auf den letzten Tropfen oder bis auf die letzte Faser genutzt und nichts verschwendet. Weder Lebensmittel noch Baumaterial noch Haushaltsgegenstände.
Das mache ich übrigens immer noch. Ich schneide geleerte Zahnpastatuben auf und spüle Shampoo- oder Duschbadflaschen aus. Die Reste reichen meistens noch für 3-4 Verwendungen. Auch Lebensmittel verwerte ich bis zum letzten Rest. Das macht mich nicht reicher und auch ansonsten lässt sich zum Sinn solcher Aktionen bestimmt einiges sagen.
Wahrscheinlich resultiert das aus meiner Sozialisierung in der DDR. Wir Ex-DDR-ler sind ja Meister:innen im Improvisieren, Recyclen, Selbermachen. Dadurch, dass es vieles nicht gab, war man sozusagen gezwungen, Dinge aufzubewahren, die man voraussichtlich mal gebrauchen könnte. Scannerpersönlichkeiten wie ich waren dafür wohl besonders anfällig. Mir hat das Spaß gemacht.
Ich muss den Tatsachen ins Auge sehen. Das Bild von mir als Minimalistin in einer spärlich möblierten Wohnung, viel freiem Platz und weniger als 100 Gegenständen in meinem Besitz existiert zwar vor meinem geistigen Auge, passt aber nicht wirklich zu mir.
Ich liebe meinen gut gefülltem Kleiderschrank und all die Gegenstände in meinem Leben, deren Zahl wahrscheinlich in die Tausende geht (ich kann nicht so gut schätzen …).
Mich dennoch von der Idee des Minimalismus in meinem täglichen Leben leiten zu lassen und meine Handlungen daraufhin zu hinterfragen, ist aber durchaus machbar. Und damit kann ich sehr gut leben.
Wow, toller Blogartikel, liebe Astrid. Der Abschnitt über das Crescendo Mindset passt auch genauso zu mir. Auch ich lebe JETZT und schaue nicht zurück, nur nach vorn. Auch beim Minimalismus finde ich mich wieder. Das kommt wahrscheinlich, wie Du schon schreibst, durch das Aufwachsen in der ehemaligen DDR.
Alles in allem finde ich Deinen Artikel super geschrieben und Du hast Dich mit Deinen Werten sehr gut auseinander gesetzt. Bravo!
Dankeschön, liebe Karina, ich freue mich total, dass dir der Blogartikel gefällt. Dass auch du dich mit dem Crescendo-Mindset identifizieren kannst, glaube ich dir aufs Wort. So wie ich dich kennengelernt habe, kann ich mir bei dir nichts anderes vorstellen. Immerhin wollen wir im dritten Drittel unseres Lebens noch einige tolle Dinge auf die Beine stellen!
Liebe Grüße
Astrid